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02.05.2018
Länder- und Branchenbewertungen, Spezial

Brexit und was dann?

Berichte-vom-Kongress-Länderrisiken-2018-von-Coface

Der Brexit beschäftigt Europa. Nicht nur die Politik, sondern auch die Unternehmen. Noch weitgehend ungewiss ist die Zukunft nach Abschluss der Austrittsverhandlungen. Wie ist der Stand des Austrittsverfahrens mit Großbritannien? Was passiert in der vereinbarten Übergangszeit? Und wie geht es nach dem Brexit weiter? Diese Fragen beantwortete Dirk H. Kranen in der Keynote zum Kongress Länderrisiken von Coface in Mainz. In seinem Vortrag reduzierte der Referatsleiter im Bundesministerium der Finanzen die ungezählten Berichte und Diskussionen auf den sachlichen Kern des ersten Austritt eines Landes aus er EU. Ein sehr guter Über- und Einblick in die Zusammenhänge dieses komplexen Themas, waren sich die rund 400 Teilnehmer des Kongresses weitgehend einig.

 

„Die Alten haben entschieden“, blickte Dirk H. Kranen auf das Abstimmungsergebnis in Großbritannien zurück, bei dem die Wahlbeteiligung beim Referendum am 26. Juni 2016 der älteren austrittswilligen Bürger deutlich höher war als die der jüngeren, die eher Pro-EU eingestellt sind. „Und die Jungen müssen die Folgen tragen.“ Nun müssen EU und Großbritannien auf zwei Ebenen vorankommen: beim Abkommen über den Austritt, das bis zum Oktober diese Jahres stehen muss, und bei einem neuen Abkommen über das künftige Verhältnis nach einer Übergangszeit. Die ist bis zum 31. Dezember 2020 datiert.

 

Mit Großbritannien verliert die EU ihren drittgrößten Netto-Zahler. Das Vereinigte Königreich zahlte zuletzt rund 6 Milliarden Euro mehr ein als es aus Brüssel bezog. Zum Vergleich. Deutschland als größter Netto-Zahler hat ein Saldo von 11 Milliarden Euro. Dies reißt natürlich eine Lücke in den EU-Haushalt. So sei es als Erfolg zu sehen, dass Großbritannien erklärt habe, alle Verpflichtungen des „mehrjährigen Finanzrahmens“ bis 2020, also über das Austrittsdatum hinaus, zu erfüllen, sagte Dirk H. Kranen. Auch bei Projekten, die länger dauerten, werde sich das Austrittsland vertragstreu verhalten. Somit sei zumindest in diesem Punkt Planungs- und Finanzierungssicherheit gegeben.

 

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Dirk H. Kranen (rechts) mit Moderator Carsten Knop (FAZ). Foto: Stephanie Charpentier

 

Britische Wirtschaft erlebt Vorzieheffekt

Insgesamt wurde mit der vereinbarten Übergangsphase der Zeitdruck etwas gemildert. Denn auch Rechtssicherheit besteht bis Ende 2020 weiter. So gelten vom Austrittdatum März 2019 bis Dezember 2020 auch die Regelungen des Binnenmarktes weiter. „Eine Bedingung der EU in diesem Punkt war, dass die Personenfreizügigkeit bestehen bleibt“, erinnerte Dirk H. Kranen an die politischen Auseinandersetzungen um Reise- und Beschäftigungsfreiheit. Ein Punkt, der in der innenpolitischen Debatte auf der Insel breiten Raum einnahm, dessen wirtschaftlichen Folgen aber wohl unterschätzt wurden. Im Jahr 2015 lebten über 1,2 Millionen britische Staatsbürger in anderen EU-Staaten und fast 3,2 Millionen EU-Bürger in England, Schottland, Wales oder Nordirland. „Großbritannien erlebt bereits Vorzieheffekte“, nannte Dirk H. Kranen erste Folgen der Verunsicherung in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt: „Großbritannien hat das schlechteste Wachstum der G7-Länder.“

Das Vereinigte Königreich, das in der Übergangsphase ab März 2019 bereits ein Drittland ist, wird allerdings nicht länger an den Institutionen und den Entscheidungsprozessen der EU teilnehmen. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union bleibt aber bestehen.

 

Und was kommt nach dem Ende der Übergangsphase? Schlüsselpunkt werden sicherlich die Handelsbeziehungen sein. Hierzu gehören Fragen hinsichtlich der Zölle, der Produktstandards und der Streitbeilegung. Modelle zur Zusammenarbeit zwischen der EU und anderen Ländern gibt es bereits. Dirk H. Kranen skizzierte die wichtigsten Vereinbarungen. So haben Norwegen, Island und Liechtenstein Zugang zum Binnenmarkt über den „Europäischen Wirtschaftsraum“. Nach dem Vorbild der Schweiz gibt es 120 bilaterale Verträge, die diesen Ländern Zugang zu Teilen des Binnenmarktes gewähren. Mit der Ukraine gibt es ein umfassendes Freihandelsabkommen, mit der Türkei eine Zollunion und unter anderen mit Kanada oder Südkorea Handelsabkommen.

 

Rote Linien machen Abkommen schwierig

Die „roten Linien“, die Großbritannien selbst gezogen habe, machten die Zuordnung zu den bestehenden Modellen schwierig. Beharre das Land auf diesen Linien, etwa bei der Personenfreizügigkeit, bei der Forderung nach regulatorischer Autonomie und nach einer eigenständige Handelspolitik und der Ablehnung eines substantiellen Finanzbeitrags, bliebe am Ende nur eine eher rudimentäre Vereinbarung, wie sie die EU derzeit mit Kanada und Südkorea pflege. „Diese rote Linien sind nicht mit dem leitenden Prinzipien der EU vereinbar“, stellte Dirk H. Kranen fest. So sei auch klar, dass das Rosinenpicken, wie sie populistische Politiker in Großbritannien propagieren, nicht möglich sei.

Das Fazit von Dirk H. Kranen, das als aktueller Zwischenstand in dem Austrittsgetöse gesehen werden kann: „Fortschritte beim Austrittsabkommen. Übergangszeitraum gibt Rechtssicherheit und weitere Zeit für Verhandlungen. Wesentliche Fragen der zukünftigen Verhältnisses des Vereinigten Königreichs mit der EU bleiben unklar.“

 

In einer Podiumsdiskussion erörterten Unternehmensvertreter mit Dirk. H. Kranen die Folgen für die Wirtschaft. Zur Diskussionsrunde!

 

Weiterer Bericht: Rede CEO Xavier Durand und Vortrag Länderbewertungen! Zum Artikel!

 

 

Mehr zu den Updates der Länder- und Branchenbewertungen im Coface-Barometer zum Download ("Siehe auch").

 

Die Coface-Risikoweltkarte gibt es ebenfalls zum Herunterladen ("Siehe auch").

 

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Presseveröffentlichung herunterladen : Brexit und was dann? (299,74 kB)

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Erich HIERONIMUS

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