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16.05.2022
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Nachbericht: Das war der 15. Kongress Länderrisiken

Nachbericht: Das war der 15. Kongress Länderrisiken

Am 12. Mai 2022 stand beim 15. Kongress Länderrisiken von Coface das Thema „Klima, Krisen, Katastrophen – auf welche Risiken die Wirtschaft jetzt reagieren muss“ im Mittelpunkt. Der Krieg in der Ukraine, Chinas Null-Covid-Politik, Klimawandel, unterbrochene Lieferketten – einige Schlagworte aus den Vorträgen und Diskussionen. Darüber hinaus gab es BIP-Prognosen, Experteneinschätzungen und „Spotlights“ zu den wichtigsten wirtschaftlichen Problemstellungen derzeit. Lesen Sie hier den Nachbericht zum Kongress:

Zu Beginn der erstmals hybrid ausgetragenen Veranstaltung übergab Moderatorin Isabelle Körner (n-tv) das Wort per Liveschalte an Coface Group CEO Xavier Durand. Der Gastgeber begrüßte die Teilnehmer und beschrieb, wie die Weltwirtschaft auf zwei Jahre voller Unsicherheiten zurückschaue, in denen der Staat vielerorts unterstützend eingreifen musste. „Wir haben Corona noch nicht überstanden und dazu kommt nun die Ukrainekrise, die wohl noch einige Zeit andauern wird“, so Xavier Durand. Hinzu kämen steigende Energiepreise, Rohstoffmangel und Inflationsanstiege. Er erwarte mehr Volatilität, mehr Unsicherheit – auch und vor allem in Schwellenländern. Jetzt seien Resilienz und Agilität gefragt sowie die Fähigkeit, schnell auf sich verändernde Situationen zu reagieren. „Genau das ist die DNA von Coface. Wir treffen täglich 10.000 Kreditentscheidungen auf der ganzen Welt, damit unsere Kunden die besten Geschäftsentscheidungen treffen können.“

+++Das war der Coface Kongress Länderrisiken: Zum Aftermovie!+++

Maja Göpel

KEYNOTE: „Wir sind Natur!“

Im Anschluss hielt Prof. Dr. Maja Göpel die Keynote. „Ich werde heute vor allem aus der Perspektive der Umwelt sprechen“, sagte die Transformations- und Nachhaltigkeitsexpertin gleich zu Beginn und startete mit der Erklärung des Begriffs „Anthropozän“. Er bedeute, dass wir in einer Ära leben, in der der Mensch als Spezies mit seinem Verhalten die gesamten Erdsystemabläufe verändere. „Indem wir mehr und mehr für die Menschheit geschaffen haben, haben wir immer weniger Ressourcen zur Verfügung“, so Maja Göpel. Sie wies in diesem Zusammenhang auf den „German Overshoot Day“ hin, der 2022 bereits am 5. Mai erreicht wurde. Es gehe darum, die Balance und den Rhythmus zwischen menschlichen Aktivitäten und denen der Natur zu finden, um eine langfristige Versorgungssicherheit zu schaffen. Folglich müsse die Natur auch in ökonomischen Modellen ausreichend abgebildet werden.

Im Anschluss ging Maja Göpel auf eine zentrale Frage ein: „Wie können wir die Bedürfnisse der Menschen so befriedigen, dass die Ressourcen pro Kopf ausreichen, damit es nachhaltig ist?“ Wir brauchten in diesem Zusammenhang neue Bedürfnisbefriedigungsstrategien – Stichworte hierzu seien Kreislaufwirtschaft, Leasing-Modelle, Holzbauweise etc. Mit Blick auf den ökonomischen Wettbewerb sollten die Unternehmen, die nachhaltige Lösungen vorantreiben, von den Marktbedingungen nicht systematisch ausgebremst, sondern unterstützt werden. Diese Idee eines „transformativen Staates“ gewinne unter der neuen Bundesregierung durchaus an Rückhalt.

Zuletzt stellte Maja Göpel das Konzept des ehrlichen Bilanzierens vor. Es sei eine zentrale Stellschraube, die Wert- und Schadschöpfung hinter den Endpreisen, beispielsweise von Fleisch, transparenter darzustellen. „Und dann können wir sagen, dass wirtschaftlicher Erfolg auch wieder mit dem Erreichen unserer gesellschaftlichen Ziele zusammenfindet“.

Talkrunde: Manuel Kallweit, Isabel Grupp, Benjamin Mandos (v. l.)

TALK: Pandemie, Krieg und der lange Weg zur Nachhaltigkeit

Über den aktuellen Mix aus unterschiedlichsten Herausforderungen für die Wirtschaft sprach Isabelle Körner im Anschluss an die Keynote mit ihren vier Talkgästen. Auf die Frage zur aktuellen Situation berichtete Isabel Grupp, Geschäftsführerin der Plastro Mayer GmbH, von erhöhten Krankenständen innerhalb der Belegschaft, von gestörten Lieferketten und gestiegenen Rohstoff- und Energiepreisen. „Es kommen so viele Themen zusammen, die wir im Moment stemmen müssen. Wir sind in einer Situation, in der wir an allen Fronten brennen. Das ist eine Herausforderung für den gesamten Mittelstand“, so Isabel Grupp. Aber: Als klassischer Mittelständler habe man natürlich auch die Möglichkeit und den Vorteil, sehr agil zu agieren. „Wir können ad hoc in den Prozess eingreifen, ohne dass uns Algorithmen dazwischenfunken.“ In der ein oder anderen Konstellation rücke die Wirtschaftlichkeit auch mal in den Hintergrund und es gehe darum, Kunden und Aufträge zu bedienen und als zuverlässiger Partner aufzutreten, so Isabel Grupp.

Auch Benjamin Mandos, Gründer des Mainzer Start-ups Got Bag, das die weltweit ersten Rucksäcke aus Meeresplastik produziert, hatte und hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Ladenschließungen im Einzelhandel, Lieferkettenunterbrechungen und Lockdowns in Ländern wie Indonesien hätten immer wieder zu Verzögerungen und Problemen geführt. Im Hinblick auf die aktuelle Gemengelage und steigende Preise habe er die Befürchtung, dass sich Kaufentscheidungen verändern könnten und „dass die Menschen ihren Fokus nicht mehr so stark auf nachhaltige und somit potenziell teurere Produkte setzen.“

Dr. Manuel Kallweit, Experte vom Verband der Automobilindustrie (VDA), sprach über die Herausforderungen seiner Branche: „Weltweit lag der Marktanteil von Elektromobilität im vergangenen Jahr bei unter 10 Prozent. Es liegt noch eine große Strecke vor uns.“ Sowohl die Herstellung als auch der Konsum von Mobilität würden sich ändern, so Manuel Kallweit. In diesem Zusammenhang müsse man mehr von den Bedürfnissen der Menschen her denken.

Den Begriff der „Ressourcen-Triage“ brachte Maja Göpel in die Diskussion ein, bei der im Ernstfall die Kaufkraft der reichen Länder siege. Ihr Vorwurf in Richtung Politik: „Es gab keine Szenarien dafür, wenn der Rohstoff wechselt.“ Darüber hinaus hoffe sie, dass die Mobilitätswende jetzt mit der nötigen Ernsthaftigkeit angegangen werde – möglicherweise auch mit Hilfe von so genannten Nudging-Strategien.

Weitere Themen der Diskussionsrunde: Der Aufbau nachhaltiger Lieferketten, der Umgang mit Inflation, die Elektrifizierung der Mobilität, die Kosten des Umbaus hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft und viele mehr.

Christiane von Berg

Economic INsights: Von vergessenen, kalkulierbaren und offensichtlichen Risiken

Einen detaillierten Blick auf aktuelle wirtschaftliche Risiken und verschiedene Branchen warf im Anschluss Christiane von Berg. „Ich habe keine Lust mehr auf die 20er Jahre!“ – mit diesem Satz eröffnete die Coface-Volkswirtin ihren Vortrag und ließ direkt die Gründe dafür folgen. Sie sei eigentlich ein großer Fan der 20er und habe sich auf das Jahrzehnt gefreut, aber nun habe sie es mit Risiken wie Inflation, einer Pandemie, dem Erstarken der Rechten in Frankreich und einem Krieg in der Ukraine zu tun.

Als „das vergessene Risiko“ bezeichnete Christiane von Berg die Corona-Rückkehr in China. Der Lockdown in Shanghai mit 25 Millionen Einwohnern sei so, als ob man die Niederlande und Dänemark absperrt, inklusive eines riesigen Hafens. Alleine in Shanghai belaufe sich der Schiffsstau im Mai auf über 500 Schiffe. Damit seien Lieferkettenprobleme auch im Jahr 2023 garantiert.

Zweiter Punkt: die Preisentwicklung, „das schwer kalkulierbare Risiko“. Bereits von 2020 zu 2021 seien die Konsumentenpreise spürbar angestiegen und hätten 2021 den 2-Prozent-Zielwert der EZB überstiegen. Aktuell liege die Inflation bei 7,4% - ein Wert, der zuletzt 1974 erreicht wurde. In der Folge müssten viele Menschen den Gürtel enger schnallen und den privaten Konsum einschränken.

Als „das offensichtliche Risiko“ bezeichnete Christiane von Berg den Krieg in der Ukraine und veranschaulichte die wirtschaftlichen Folgen der Auseinandersetzung mit Hilfe einer Heatmap. Auf dieser Weltkarte war für jedes Land abzulesen, wie stark Coface die jeweilige BIP-Prognose revidiert, bzw. in den meisten Fällen abwärtsrevidiert, hat. „Deutschland ist hier auch mit im Boot“, sagte Christiane von Berg. „Das, was wir handeln, kann man eben schlecht ersetzen. Wenn der Kabelbaum aus der Ukraine fehlt, dann können wir das Auto nicht ausliefern – selbst wenn es ansonsten komplett fertig ist.“ Hinzu komme in vielen Ländern die hohe Energieabhängigkeit.

Anschließend gab Christiane von Berg einen Überblick über die 13 von Coface bewerteten Branchen und die aktuelle „Risk Direction“. Kaum Veränderungen an der Risikofront sehe man bei Coface in den Bereichen Textil, Pharma und ICT (Informations- und Kommunikationstechnologie). Im Gegensatz dazu sei die Lage in Branchen wie Bau, Chemie, Transport und Energie nach wie vor angespannt. Letzter Punkt: Insolvenzzahlen. „Wir sind weiterhin auf niedrigem Niveau“, so Christiane von Berg.

Die Präsentation von Christiane von Berg zum Download auf dieser Seite unter "Siehe auch".

Spotlights | 3 Fragen - 3 Antworten

Spotlights: Lieferketten, Energiepreise und der Ost-West-Konflikt

Im abschließenden Spotlight-Format sprach Isabelle Körner mit jeweils zwei Experten zu drei verschiedenen Themen. Zunächst standen „Stockende Lieferketten und knappe Rohstoffe“ auf der Agenda. Achim Haug (GTAI, Germany Trade & Invest) berichtete von explodierenden Frachtraten, gestiegenen Versicherungsprämien und Naturereignissen, die „gerade am Anfang der Lieferketten immer wieder für Probleme sorgen“. Darüber hinaus sprach er sich für eine Diversifizierung und Regionalisierung von Lieferketten aus, um Abhängigkeiten zu minimieren. Frank Romeike (RiskNET) wies darauf hin, dass geopolitische Debatten in der Vergangenheit so gut wie nicht stattgefunden hätten („ein schockierender Zustand“). Seine Forderung: „Wir müssen es schaffen, in Szenarien zu denken. Also zu schauen, was mir in der Zukunft auf die Füße fallen könnte. Das bedingt, dass man strategisch denkt.“

Tobias Annen und Marie Pfefferkorn

Im nächsten Spotlight zum Thema „Preisexplosionen und die Energiefrage“ befürchtete Marie-Thérèse Pfefferkorn (MBI Infosource), dass es aufgrund der vielfältigen Risiken bei den Energiepreisen noch „Luft nach oben“ gebe. Um in diesem Bereich unabhängig von Russland zu werden, müssen man sich jeden neuen Partner genau ansehen, „und hierbei ist Realismus ein ganz wichtiger Punkt. Egal welche Entscheidung man trifft, man muss sie dann auch konsequent umsetzen.“ Angesprochen auf den Umgang mit hoher Inflation berichtete Tobias Annen (Rödl & Partner) über Kooperationen mit Experten aus Hochinflationsländern in Südamerika und der Türkei, um von deren Know-how zu profitieren. „Es klingt trivial, aber wenn ich als Unternehmer die Wertetreiber und die Wertevernichter in meinem Portfolio kenne, dann kann ich die Ressource Kapital zielgerichtet einsetzen“, so Tobias Annen. Darüber hinaus rückten Preisverhandlungen mehr und mehr in den Fokus und sollten strategisch und auf höchster Ebene vorbereitet werden.

Letzter Punkt auf der Tagesordnung: Das Spotlight zum Thema „Kalter Krieg reloaded – Politische Risiken zwischen Ost und West“. Handel sei weiterhin wichtig, um gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben und multilaterale Beziehungen zu stabilisieren, sagte Gregor Wolf (BGA, Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen). „Gleichwohl muss man natürlich konstatieren, das dem Konzept ´Wandel durch Handel` rationales Handeln zugrunde liegt.“ Für die kommenden Monate erwarte er ein weiteres „Auseinanderdriften“ der Wirtschaftssysteme und divergierende Gesetzgebungsprozesse, die für Unternehmen kaum noch in Einklang zu bringen seien, so Gregor Wolf. Bernhard Bartsch (MERICS, Mercator Institute for China Studies) vertrat die Meinung, dass das Konzept des „Wandel durch Handel“ nicht mehr tragbar sei. Man müsse die Abhängigkeiten von China, die deutlich komplexer seien als die von Russland, schonungslos analysieren: „China ist ein riesiger Markt für deutsche Exporte und wichtig für Innovationen. Viele deutsche Unternehmen haben dort Milliarden in die lokale Produktion investiert.“ Darüber hinaus werde der Zugang zu Rohstoffen zunehmend politischer, so Bernhard Bartsch.

SAVE THE DATE: Der nächste Coface Kongress Länderrisiken findet am Donnerstag, den 4. Mai 2023 statt!

Kontakt


Sebastian KNIERIM

Pressesprecher
 
Isaac-Fulda-Allee 1
55124 Mainz
DEUTSCHLAND
Tel.: +49 6131 323 335
E-Mail: sebastian.knierim@coface.com

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