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18.11.2022
Länder- und Branchenbewertungen, Wissen

Lithium: Große Potenziale, aber begrenztes Angebot

Lithium: Große Potenziale, aber begrenztes Angebot

Im Zuge der Umstellung auf Elektrofahrzeuge gewinnt Lithium als strategischer Rohstoff zunehmend an Bedeutung. Wie bei Kupfer und einer Reihe anderer Erze hängen Produktion und Nachfrage nach dem Leichtmetall weitgehend von makroökonomischen Trends und globalen Wachstumschancen ab. Während die meisten Metallpreise seit dem Frühsommer gesunken sind, hält sich der Preis für Lithium hingegen auf hohem Niveau. Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als die kurzfristigen Aussichten der Abnehmerbranchen, insbesondere der Automobilindustrie, eher gemischt sind.

Anfang der 2000er Jahre rückte Lithium in der westlichen Welt in den Fokus – aufgrund der neuen Herausforderungen bei der Energiespeicherung im Zuge der ersten E-Autos. Zwanzig Jahre später ist Lithium für die Dekarbonisierung der Wirtschaft unverzichtbar geworden: Die in Elektrofahrzeugen verwendeten Batterien bestehen hauptsächlich aus dem Leichtmetall. Eine Alternative zu Lithium gibt es nicht. Dies ist ein Hauptgrund für dessen aktuelle Preisstabilität – denn auch wenn die Nachfrage kurzfristig etwas geringer wird, bliebt diese doch weit über dem zu geringen Angebot. Ein Grund hierfür sind unter anderem mangelnde Investitionen in die Lithiumförderung, denn die westlichen Volkswirtschaften haben ihren eigenen Lithiumvorkommen und dem möglichen Abbau viele Jahre lang (zu) wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Abb. 1: Metallpresie  Lithium vs. Kupfer
(Quelle: LME, Coface)

Li vs Kupfer

Dreigestirn dominiert Lithiumproduktion

Im „Lithiumdreieck“ zwischen Argentinien, Bolivien und Chile befinden sich 58% der weltweiten Lithiumvorkommen – dies entspricht einer deutlich höheren geografischen Konzentration als bei anderen Basismetallen. Zum Vergleich: Auf immerhin 13 Länder entfallen 75% der weltweit bekannten Kupferreserven. Darüber hinaus ist die weltweite Lithiumproduktion ebenfalls sehr konzentriert und wird vom Dreigestirn Australien, Chile und China dominiert, auf das im Jahr 2021 90% der weltweiten Produktion entfielen. Hier zeigt sich, dass das geografische Vorkommen und die tatsächliche Förderung des Metalls deutlich auseinanderliegen. Die nachgelagerte Wertschöpfungskette ist noch stärker konzentriert: 2021 raffinierte China 60% des weltweiten Lithiums. Es stellte 77% der weltweiten Produktionskapazität für Batteriezellen dar und war für 60% der weltweiten Herstellung von Batteriekomponenten verantwortlich.

Der Verband der europäischen Hersteller von Automobil- und Industriebatterien (EUROBAT) geht davon aus, dass der europäische Batteriemarkt im Jahr 2030 einen Wert von 35 Milliarden Euro haben wird, wobei etwa die Hälfte davon auf Lithium-Ionen-Batterien entfällt. Europa strebt an, bis 2030 Selbstversorger bei der Batterieproduktion zu werden, wird sich dabei aber nicht ausschließlich auf nationale Abbauprojekte verlassen können. Australien scheint mittelfristig (s)eine Lösung zu sein.

Rückgang bei Investitionen

Die hohe Volatilität am Rohstoffmarkt – insbesondere bei Metallen –, die unter anderem von Unsicherheiten im chinesischen Immobilienmarkt herrührt, könnte sich auf die Entwicklung der Lithiumpreise auswirken. Ein weiterer Aspekt für Volatilität im Lithiummarkt sind veränderte Strategien für Bergbauunternehmen. Sie könnten sich mehr auf den Umsatz über höhere Preise konzentrieren als durch ein höheres Produktionsvolumen. Nachdem ihre Rentabilität dank des Preisanstiegs in der ersten Jahreshälfte 2022 gestiegen war, haben der Rückgang der Preise anderer Metalle und die hohen Energiekosten den Profit wieder gesenkt und die Bergbauunternehmen dazu veranlasst, ihre Investitionen zu kürzen. Daher dürften Lithiumunternehmen in der kurzen Frist vermehrt auf das erhöhte und stabile Preisniveau bauen, um ihre Rentabilität aufrechtzuerhalten, während sie gleichzeitig ihre Investitionen vor dem Hintergrund einer weltweiten Rezession im Jahr 2023 begrenzen. Die Erschließung neuer Lithiumvorkommen kann drei bis fünf Jahre dauern – hinzu kommen zwei bis drei Jahre für die Einrichtung der Erzverarbeitung. Dies wird sich mittelfristig unweigerlich auf die Liefermengen auswirken.

China will Vorteile halten

Obwohl der Lithiummarkt theoretisch von makroökonomischen Trends abhängt und sich die chinesische Wirtschaft auf einer – für ihre Verhältnisse – Talfahrt befindet, könnte hier die Produktion sogar ausgeweitet werden. Dabei spielen wirtschaftsstrategische Gesichtspunkte eine wichtige Rolle. Nachdem Europa begonnen hat, seine eigene Produktion zu entwickeln, wird die Regierung in Peking selbst bei einer geringeren Nachfrage die Produktion und damit das weltweite Angebot mit Finanzspritzen und Subventionen pushen, um den bestehenden Wettbewerbsvorteil im Bereich der Lithium-Ionen-Batterie aufrechtzuerhalten.   

Unsicherheit in Europa

Schließlich besteht große Unsicherheit über die Zukunft des Lithiumsektors in Europa. Das Verbot des Verkaufs von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren im Jahr 2035 basiert auf unausgereiften Industrialisierungsprogrammen wie Abbauprojekten und Gigafactorys. Die Bergbauprojekte in Europa könnten unter anderem wegen Umweltbedenken stark umstritten sein und eine rasche Umsetzung verhindern. Mittelfristig bedeutet dies, dass die Anfälligkeit für Krisen in der Lieferkette – einschließlich der Logistik – zwischen den Minen und den Batterieherstellern zunehmen wird. Dies würde den Druck auf die Automobilhersteller und ihre Abhängigkeit von Ländern, die Lithium und Batterien produzieren, erhöhen.

Kontakt


Sebastian KNIERIM

Pressesprecher
 
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