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08.06.2022
Länder- und Branchenbewertungen

Mehr Insolvenzen in Mittel- und Osteuropa im Jahr 2021

Mehr Insolvenzen in Mittel- und Osteuropa im Jahr 2021

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Mittel- und Osteuropa (MOE) ist 2021 wieder angestiegen. Sie erreichte in den meisten Ländern dieser Region fast das Niveau vor der Corona-Pandemie, nachdem die Zahl der Firmenpleiten 2020 zurückgegangen war. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des internationalen Kreditversicherers Coface. 

In insgesamt sieben Ländern Mittel- und Osteuropas ist die Zahl der Insolvenzen im Jahr 2021 gestiegen, dazu zählen Bulgarien, die Tschechische Republik, Ungarn, Litauen, Polen, Rumänien und die Slowakei. In fünf Ländern der Region gab es weniger Insolvenzen, dies waren Kroatien, Estland, Lettland, Serbien und Slowenien. Aufgrund des Auslaufens der COVID-Fördermaßnahmen und der Folgen des Ukraine-Krieges ist in den kommenden Quartalen mit einem Anstieg der Pleiten zu rechnen.

Ausblick: Baltische Länder mit schwächsten Wachstumsraten

Die wechselnden wirtschaftlichen Bedingungen, staatliche Unterstützungsmaßnahmen und rechtliche Anpassungen haben die Insolvenzentwicklung in der Region Mittel- und Osteuropa in den letzten zwei Jahren stark beeinflusst. Die Corona-Pandemie löste 2020 einen wirtschaftlichen Abschwung aus, der zu einem Rückgang des regionalen Wachstums um 4% zum Vorjahr führte. Zwar ging die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in den MOE-Ländern während dieses Abschwungs zurück, doch dies war in erster Linie den massiven staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für Haushalte und Unternehmen zu verdanken. „Im Jahr 2021 verzeichnete die Region zwar wieder ein höheres Wachstum von 5,5% zum Vorjahr, aber diese Dynamik wird sich in diesem Jahr mit einer prognostizierten Wachstumsrate von 3,2% voraussichtlich abschwächen", sagt Grzegorz Sielewicz, Coface-Ökonom für Mittel- und Osteuropa. „Sämtliche MOE-Länder werden wahrscheinlich unter den direkten und indirekten Folgen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine leiden. Die baltischen Länder werden aufgrund ihrer besonders engen Handelsbeziehungen zu Russland die schwächsten Wachstumsraten verzeichnen."

Unterstützungsmaßnahmen laufen aus und das Umfeld bleibt schwierig

Nach einem Rückgang der Unternehmensinsolvenzen in der Region im Jahr 2020 nahmen die Insolvenzverfahren im Jahr 2021 zu und erreichten fast wieder das Niveau vor der Pandemie. Dieser Anstieg war erwartet worden, da die Regierungen langsam die massiven Unterstützungsmaßnahmen haben auslaufen lassen. Im BIP-gewichteten Durchschnitt (d. h. die Insolvenzwachstumsraten gehen hier gewichtet nach dem BIP des jeweiligen Landes in die Berechnung ein) sind die Insolvenzen 2021 in der Region Mittel- und Osteuropa um 34,7% gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Ohne Polen, wo die Insolvenzzahl sich aufgrund einer Veränderung im Insolvenzverfahren dramatisch erhöht hat, läge der Anstieg allerdings nur bei 1,5% zum Vorjahr.

Dieses – zumindest ohne Polen – sehr ausgeglichene Ergebnis, verdeckt allerdings die sehr dynamische Entwicklung auf nationaler Ebene. Bei den sieben Ländern mit Anstiegen sticht neben Polen mit einem Plus von 97,5% vor allem die Slowakei mit einem Anstieg von knapp 18% hervor. Bei den fünf Ländern mit niedrigeren Insolvenzzahlen als im  Vorjahr fallen insbesondere Slowenien (-40%), Lettland (-31%) und Serbien (-27%) auf.  Eine Sonderrolle spielt, wie schon angedeutet, Polen. Hier hat sich die Zahl der Insolvenzverfahen fast verdoppelt. Trotz dieses Anstiegs erreichte die Insolvenzquote, also der Anteil der Verfahren an der Gesamtzahl der aktiven Unternehmen, jedoch nur 0,06%. Das bedeutet, dass lediglich 6 von 10.000 Unternehmen in Polen die offiziellen Insolvenzverfahren durchlaufen haben. Deutlich höhere Insolvenzquoten wurden in Ländern verzeichnet, in denen die Nutzung von Insolvenzverfahren beliebter ist, zum Beispiel +1,61% in Kroatien und +3,31% in Serbien.

 

Abb. 1: Insolvenzen in MIttel- & Osteuropa in der Übersicht

Überblick_Insolvenzen

 

Die globale Wirtschaftslage in den letzten zwei Jahren stellte für die Unternehmen in Mittel- und Osteuropa ein schwieriges Umfeld dar. Der wirtschaftliche Aufschwung, der Mitte 2020 einsetzte, verlief schneller als erwartet und führte zu einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage, insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe. Die Preise für Energierohstoffe, Transportmittel und verschiedene Metalle und Vorleistungen, die im Produktionsprozess verwendet werden, schossen in die Höhe. In einigen Fällen schränkten Engpässe das Produktionsniveau ein. Bestes Beispiel sind die Halbleiter, deren Verknappung zu einem Zusammenstreichen von Schichten bis hin zur vorübergehenden Schließung von Fabriken verschiedener Automobilhersteller führte. Höhere Energie- und Kraftstoffkosten bei gleichzeitig gestiegenen Preisen für Produktionsinputs schmälerten die Rentabilität der Unternehmen. Diese globalen Entwicklungen betrafen die Unternehmen in den MOE-Ländern aufgrund ihrer Einbindung in verschiedene Lieferketten und der bedeutenden Handelsbeziehungen der Region mit Westeuropa.

Ukraine-Krieg: von einer Krise zur nächsten

Auch wenn die Corona-Pandemie noch andauert, gibt es eine weitere Herausforderung für die Volkswirtschaften und Unternehmen: Die Invastion der Ukraine durch Russland  trug prompt zu steigenden Energiepreisen bei, da Europa weiterhin von Öl-, Erdgas- und Kohleimporten aus Russland abhängig ist. Außerdem sind beide Länder bedeutende Erzeuger und Exporteure von Agrarrohstoffen. Die Agrarproduktion ist auch von den Düngemittelpreisen abhängig, die ebenfalls in die Höhe schnellten, da Russland und Belarus bedeutende Exporteure von Düngemitteln sind.  Darüber hinaus haben diverse Sanktionen und das Kriegsgeschehen (z. B. die Bombardierung von Städten) die Unterbrechung der Versorgungskette weiter verschärft. Diese Faktoren haben zu einem weiteren Anstieg der Energie- und Inputpreise für Unternehmen geführt, auch in den MOE-Ländern. Diese gestiegenen Preise bekommen auch die Konsumenten zu spüren. Der daraus resultierende Kaufkraftverlust der Haushalte ist ebenfalls ein Grund zur Besorgnis für den möglichen Kundenstamm der Unternehmen. Die Volkswirtschaften in Mittel- und Osteuropa haben eine beschleunigte Inflation erlebt, die hauptsächlich auf die gestiegenen Energiepreise, aber auch auf die steigenden Lebensmittelpreise zurückzuführen ist.

„Anstieg der Insolvenzen wird sich fortsetzen“

Das Umfeld für MOE-Länder wird zunehmend schwierig, auch durch den künftigen Umgang mit Russland. Denn in den letzten Jahren war Russland ein wichtiges Exportziel, insbesondere für die baltischen Länder. Die gesamten Exporte und Importe mit Russland machten 2021 beispielsweise 15,1 % des litauischen BIP aus. Die EU-Sanktionen werden diesen Anteil erheblich drücken. Darüber hinaus hat der russische Angriff in der Ukraine eine schwere humanitäre Krise ausgelöst. Hier könnte der Zustrom ukrainischer Flüchtlinge – obwohl für alle MOE-Länder für 2022 niedrigere Wachstumsraten als vor dem Krieg erwartet werden – das regionale Wachstum zumindest kurzfristig unterstützen.

„Angesichts dieser Herausforderungen erwarten wir, dass sich der Anstieg der Unternehmensinsolvenzen in den nächsten Quartalen fortsetzen wird", erklärt Jarosław Jaworski, Regional CEO von Coface für Mittel- und Osteuropa. „Die Folgen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine werden diesen Anstieg noch beschleunigen, zumal es unwahrscheinlich ist, dass umfangreiche Hilfsprogramme für lokale Unternehmen umgesetzt werden, wie es während der Corona-Lockdowns der Fall war." 

Die komplette Analyse zum Download auf dieser Seite („Siehe auch“)

Kontakt


Sebastian KNIERIM

Pressesprecher
 
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E-Mail: sebastian.knierim@coface.com

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