Vor dem Hintergrund beispielloser geopolitischer Spannungen und wachsender Handelsunsicherheit bewegt sich die Weltwirtschaft zwischen einer erwarteten Abschwächung und zunehmenden Eskalationsrisiken. Die Zollentscheidungen von US-Präsident Trump sowie die Spannungen im Nahen Osten prägen das wirtschaftliche Umfeld für 2025 und 2026 maßgeblich. In diesem Kontext hat Coface die Risikobewertung für insgesamt 4 Länder und 23 Branchen herabgesetzt.
Zentrale Entwicklungen:
- Die US-Zölle haben – selbst bei Aussetzungen oder Reduzierungen – ein historisch hohes Niveau erreicht.
- In fast 80% der Industrieländer stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorjahr.
- Besonders betroffen ist die Metallbranche; auch klassische Industriezweige wie Automobil und Chemie geraten zunehmend unter Druck.
- Weitere herabgestufte Branchen in den USA sind die Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Einzelhandel; in China belasten Zölle die Textil- und Bekleidungsindustrie.
Weltwirtschaft: Unsicherheit wird zur neuen Normalität
Die globale Konjunktur ist so unvorhersehbar wie selten zuvor – sie hängt stark von geopolitischen Entwicklungen und den handelspolitischen Entscheidungen der US-Administration ab. Die Wiedereinführung von Zöllen nach Ablauf der 90-tägigen Aussetzung (am 12. August für China, am 9. Juli für den Rest der Welt) könnte das globale Wachstum erheblich belasten. Für 2025 wird ein Rückgang des globalen Wachstums auf 2,2%, für 2026 auf 2,3% erwartet. Sollte sich die geopolitische Lage weiter zuspitzen, ist auch ein Wachstum unter 2% nicht auszuschließen.
Auch die Inflation bleibt ein Unsicherheitsfaktor: Zwar ist sie derzeit stabil, könnte aber bei steigenden Energiepreisen wieder anziehen – in den USA möglicherweise auf 4% bis Jahresende. Die großen Zentralbanken dürften daher weiterhin vorsichtig agieren. Sollte die US-Inflation unter Kontrolle bleiben, könnte die Fed bereits im Herbst 2025 mit Zinssenkungen beginnen. Die EZB hat angekündigt, ihren Zinssenkungskurs fortzusetzen, sieht sich jedoch nahe dem Endpunkt ihrer geldpolitischen Lockerung. In Europa verstärkt sich die Unsicherheit zusätzlich durch mögliche fiskalpolitische Konsolidierungen, die lange aufgeschoben wurden. Deutschland fährt ein Konjunkturprogramm, dessen Umfang derzeit schwer einzuschätzen ist.
Ölmarkt zwischen geopolitischer Spannung und Überangebot
Der Konflikt zwischen Israel und dem Iran hat neue Sorgen um die Ölversorgung ausgelöst. Eine Störung oder gar Blockade der Straße von Hormus – durch die täglich rund 20 Millionen Barrel und damit 20% des weltweiten Angebots fließen – könnte die Preise über 100 US-Dollar pro Barrel treiben. Abgesehen vom geopolitischen Risiko sprechen die Fundamentaldaten jedoch für sinkende Preise: Produktionsausweitungen in Nicht-OPEC+-Ländern, eine durch Handelskonflikte geschwächte Nachfrage und die Rückführung von Fördermengen durch OPEC+ (2,2 Mio. Barrel/Tag) deuten auf ein Überangebot hin. Ohne größere Krisen dürften die Preise volatil, aber im Bereich von 65 bis 75 US-Dollar pro Barrel bleiben.
Industrieländer: Zwischen Widerstandskraft und Verwundbarkeit
Die US-Wirtschaft wird von zwei zentralen Unsicherheitsfaktoren belastet: dem Ausmaß der Zölle und deren Auswirkungen auf die Binnenwirtschaft. Trotz sinkendem Verbrauchervertrauen bleibt der Arbeitsmarkt stabil. Das leichte BIP-Minus im ersten Quartal (-0,2%) ist vor allem auf vorsorgliche Lageraufstockungen zurückzuführen.
In Europa zeigt sich ein gemischtes Bild: Deutschland verzeichnet ein leichtes Wachstum im ersten Quartal, Frankreich stagniert, Italien droht an Schwung zu verlieren, während Spanien dank Tourismus und EU-Fördermitteln weiter zulegt.
Schwellenländer als erste Leidtragende der Handelskonflikte
In China hat die vorübergehende "Zollpause" die Exporte kurzfristig belebt – die Aussichten bleiben jedoch fragil. Indien verzeichnete im ersten Quartal ein Wachstum von über 7%, kämpft jedoch mit nachlassendem Konsum und schrumpfendem fiskalischem Spielraum. In Lateinamerika leidet Mexiko besonders unter der Unsicherheit, sodass für 2025 kein Wachstum erwartet wird. Brasiliens Wirtschaft dürfte nach einem Aufschwung im Agrarsektor infolge von El Niño wieder schrumpfen, belastet durch eine restriktive Geldpolitik (Leitzins bei 15%). In Argentinien zeigt das Reformprogramm „Mileinomics“ Wirkung: Trotz niedriger Devisenreserven wird ein BIP-Wachstum von 5% für 2025 und 3,5% im Jahr 2026 erwartet.
Metallbranche: 600 Mio Tonnen Überkapazität belasten den Sektor
Die Metallindustrie steckt in einer tiefen Krise: 2024 verzeichnete sie eine weltweite Überkapazität von 600 Millionen Tonnen Stahl – das entspricht 25% der globalen Produktion. Das schwache makroökonomische Umfeld, Energieengpässe und neue Zölle verschärfen die Lage, besonders in Kanada, Mexiko und Europa.
Kanada: Wirtschaft unter Druck durch Zölle
Mit 75% seiner Exporte in die USA zählt Kanada zu den am stärksten vom Handelskonflikt betroffenen Ländern. Nach einem späten Aufschwung 2024 schwächte sich das Wachstum deutlich ab. Der Konsum sinkt, Investitionen gehen zurück, die Arbeitslosenquote liegt bei 6,9%, dem höchsten Stand seit 2017. Die Exporte, zuvor durch drohende Zölle gestützt, sind im April stark eingebrochen. Besonders betroffen: die Automobil- und Metallindustrie, die mit Zollerhöhungen von bis zu 50% konfrontiert sind. Die für Ende 2025 erwartete Neuverhandlung des USMCA-Abkommens könnte die wirtschaftliche Unsicherheit weiter verschärfen.
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