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26.08.2016
Länder- und Branchenbewertungen, Pressemeldung

Warten aufs Geld ist Alltag

Coface:-Damit-das-Geld-nicht-baden-geht

Für 83,7 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind Zahlungsverzögerungen ihrer Kunden Alltag, trotz der guten Konjunkturlage der deutschen Wirtschaft. Das ist Ergebnis einer neuen Coface-Befragung zum Zahlungsverhalten im Geschäft zwischen Unternehmen (B2B). Damit liegt der Anteil sogar über demjenigen in China. Dort berichteten in einer vergleichbaren Coface-Studie rund 80 Prozent von Zahlungsverzögerungen. In der deutschen Unternehmenslandschaft sind Zahlungsverzögerungen ausgeprägter bei Unternehmen, die vorrangig vom Exportgeschäft abhängig sind. Sie verbuchen zu fast 90 Prozent Verzögerungen, bei den auf den deutschen Markt konzentrierten Unternehmen sind es 82,8 Prozent.

 

„Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Umfang der Außenstände tendenziell leicht verringert“, erklärt Dr. Mario Jung, Economist für Nordeuropa bei Coface und Autor der Studie. Denn rund 20 Prozent der befragten Unternehmen berichten von geringeren Außenständen, während 16,9 Prozent einen Anstieg vermerken. Über 60 Prozent sehen keine Veränderung in ihren Außenständen. Unter den exportorientierten Unternehmen fällt das Bild etwas gemischter, aber dennoch tendenziell positiv aus. Dort sehen gut 24 Prozent eine Verringerung ihrer Außenstände. Dem steht allerdings ein deutlich höherer Anteil – im Vergleich zum Durchschnittswert von 16,9 Prozent – von 23,3 Prozent mit gestiegenen Außenständen gegenüber.

 

Gemischtes Bild bei Branchen
Der Anteil der Unternehmen, die Zahlungsverzögerungen erleiden müssen, schwankt über die 13 betrachteten Branchen hinweg um rund zehn Prozentpunkte um den Durchschnitt. Am stärksten betroffen von Zahlungsverzögerungen ist mit deutlichem Abstand der Bereich Textil/Leder/Bekleidung mit einem Anteil von 94,4 Prozent, gefolgt von den Sektoren Papier/ Verpackung/Druck (89,3 Prozent) sowie Holz/Möbel (87,5 Prozent). Am wenigsten betroffen von Zahlungsverzögerungen sind die Mechanik-/Präzisionsindustrie mit „nur“ 75,0 Prozent. Auch die Branchen Kfz-/Fahrzeugindustrie (78,8 Prozent) sowie der Großhandel (81,0 Prozent) notieren unter dem Durchschnitt.

Für die deutschen Unternehmen bleiben in zeitlicher Perspektive Zahlungsverzögerungen in einem überschaubaren Rahmen. Für mehr als drei Viertel liegt die Dauer der Zahlungsverzögerungen bei maximal 60 Tagen. Damit stellt sich die Situation für deutsche Unternehmen deutlich besser dar als für ihre chinesischen Pendants: Dort beträgt der Anteil von Verzögerungen von bis zu 60 Tagen nur 60 Prozent. Weitaus kritischer ist dort auch der Anteil von sehr langen Zahlungsstörungen von über 150 Tagen mit 10 Prozent, der sich infolge der chinesischen Wachstumsabkühlung innerhalb eines Jahres fast verdoppelt hat. Bei den auf den deutschen Markt konzentrierten Unternehmen liegt dieser Anteil sogar bei nur 1,9 Prozent, bei exportorientierten Unternehmen bei 7 Prozent.

 

Schwierigkeiten der Kunden bringen Lieferanten in Gefahr

Gefragt nach dem Hauptgrund für Zahlungsverzögerungen, antwortet mehr als jedes zweite Unternehmen mit finanziellen Schwierigkeiten ihrer Kunden. Dagegen spielen wirtschaftliche Streitfälle, beispielsweise um die Produktqualität, eine nachgeordnete Rolle (9,4 Prozent). Auch Betrugsfälle sind gerade einmal bei 3,8 Prozent Hauptursache. Für exportorientierte Unternehmen fällt die Antwortstruktur sehr ähnlich aus. Allerdings berichten solche Unternehmen auch öfter von Problemen bei der Wechselkursfestsetzung oder im Devisenverkehr allgemein.

Dass Kunden Zahlungsfristen eingeräumt werden, ist nach der aktuellen Coface-Studie gängige Praxis. Demnach haben die befragten Unternehmen in den zurückliegenden zwölf Monaten mit einer satten Mehrheit von 84,4 Prozent ihren Kunden Zahlungsfristen eingeräumt. Bei Unternehmen, die vor allem am Exportgeschäft hängen, sind es fast 92 Prozent. Rund jedes zweite Unternehmen bezeichnet die Erfordernisse am Markt als Hauptgrund für die Gewährung von Zahlungsfristen, da dies als Standard angesehen wird. 14,1 Prozent der Unternehmen räumen Zahlungsziele ein, um eine angespannte Liquiditätslage ihrer Kunden abzufedern. „Das ist besonders gefährlich“, warnt Téva Perreau, General Manager Nordeuropa bei Coface. „Diese Unternehmen begeben sich selbst auf eine höhere Risikostufe.“

 

Vergleichsweise kurze Zahlungsziele

Deutsche Unternehmen räumen im internationalen Vergleich relativ kurze Zahlungsfristen ein. Bei gut 56 Prozent beträgt die durchschnittliche Zahlungsfrist bis 30 Tage. Nimmt man noch das Zahlungsziel 60 Tage hinzu, gewähren mehr als 92 Prozent der Unternehmen im Durchschnitt Zahlungsziele von bis zu 60 Tagen. Bei den maximalen Zahlungszielen fällt das Ergebnis etwas gemischter aus, bestätigt aber auch die Tendenz zu kürzeren Fristen. Demnach gewährt fast die Hälfte der Unternehmen maximal 60 Tage. Allerdings berichten auch immerhin 12 Prozent der Unternehmen von maximalen Zahlungsfristen von mehr als 120 Tagen. Dies ist vor allem bei exportorientierten Unternehmen gravierend, bei denen der Anteil sogar bei einem Drittel liegt.

Nach den Erfahrungen von Coface werden rund 80 Prozent offener Zahlungen nicht mehr vollständig getilgt, wenn sie bereits länger als sechs Monate in Verzug sind. Übertreffen diese zwei Prozent des Jahresumsatzes, können sie die Liquidität des Lieferanten beeinträchtigen. Für die gesamte deutsche Unternehmenslandschaft liegt der Anteil von länger als sechs Monate fälligen Zahlungen, die mindestens zwei Prozent des Jahresumsatzes ausmachen, bei 13,4 Prozent. Im Vergleich: In China sind es deutlich über 30 Prozent. Etwas schlechter sieht die Situation allerdings wiederum für exportorientierte Unternehmen in Deutschland aus. Denn diese berichten von einem Anteil von rund 20 Prozent.

 

Professionelles Management und Prinzip Hoffnung

Die große Mehrheit der Unternehmen hat ein eigenes Kredit-Risikomanagement, welches zu rund 30 Prozent auch eine eigene Organisationseinheit bildet. Knapp 17 Prozent haben kein eigenständiges Management von Risiken im Forderungsgeschäft. „Nach wie vor gibt es große Unterschiede im Debitorenmanagement der deutschen Unternehmen. Insbesondere kleineren Unternehmen fehlt es an der technischen Unterstützung, dem Wissen und der Expertise, offene Forderungen konsequent einzufordern. Aber auch die Sorge, einen Kunden zu verärgern, spielt immer wieder eine Rolle“, erklärt Jochen Böhm, Regional Risk Underwriting Director bei Coface. 5,2 Prozent der befragten Unternehmen verzichten sogar vollständig auf eine direkte und gezielte Steuerung ihres Kreditrisikos. „Das ist unternehmerischer Blindflug oder Glücksspiel“, sagt Téva Perreau.

„Die deutsche Wirtschaft wird auch in diesem und im kommenden Jahr nicht ungeschoren von den erheblich gestiegenen globalen Risiken davonkommen“, meint Dr. Mario Jung. Neben dem anhaltenden Kriechgang der Emerging Markets seien es gerade die aus dem unmittelbaren europäischen Umfeld stammenden politischen Risiken, die von den exportierenden Unternehmen immer mehr wahrgenommen würden. Der Volkswirt erwartet auch deshalb keine Verbesserung im Zahlungsverhalten: „Mit Blick auf die kommenden zwölf Monate sind die Erwartungen über die Branchen hinweg gemischt. Für den Unternehmenssektor insgesamt dürfte der Umfang ausstehender Zahlungen mehr oder weniger gleich bleiben.“

 

Mehr Informationen im kompletten Coface-Panorama, zum Download auf dieser Seite (Deutsch)

Außerdem zum Herunterladen: Präsentation des Autors der Studie, Dr. Mario Jung (Deutsch) und die Infografik

 

Coface_Infografik_Zahlungsstudie-2016_final
Presseveröffentlichung herunterladen : Warten aufs Geld ist Alltag (191,39 kB)

Kontakt


Erich HIERONIMUS

Pressesprecher
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